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Mahlzeit

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 3 minutes.

Ich weiß nicht, wie es euch mit dem Gruß Mahlzeit geht, ich kann damit herzlich wenig anfangen. Genau wie mit Babo, dem Jugendwort des Jahres. Letzteres liegt vielleicht an meiner vergangenen Jugend, aber Mahlzeit ist und bleibt für mich das Unwort des Jahrtausends. Irgendetwas an diesem Wort stört mich kolossal. Dabei liebe ich das Kochen, genieße das anschließende Essen in geselliger Runde, sprich: ich habe rein gar nichts gegen eine Mahlzeit. Aber Mittags Kollegen zu treffen und mit einem überschwänglichen Mahlzeit begrüßt zu werden, lässt mich jedes Mal erschaudern. Die Geste eines Grußes finde ich freundlich und höflich und erwidere ich sehr gerne. Aber muss es immer dieses Mahlzeit sein? Ich versuche für alles und jeden Verständnis zu haben, denn es gibt viele Wahrheiten, bei diesem Wort hört sie auf. Was nervt mich an dem Wort? Was soll das überhaupt bedeuten? Ein Erklärungsversuch.

Die einzelnen Wörter Mahl und Zeit sind harmlos. Das Mahl erscheint mir überholt, aber für sich genommen nicht schlimm. Die Bedeutung des Essens ist für mich persönlich ausgesprochen positiv besetzt. Ich genieße gutes Essen und deren Gemütlich- und Geselligkeit. Daran liegt es nicht. Die Zeit übt eine Faszination auf mich aus. In ihr bewegen wir uns gegenwärtig, mit dem Wissen der Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft. Wir leben unsere Zeit. Das gefällt mir, ergo die Zerlegung des Wortes bringt mich der Lösung an dieser Stelle nicht näher. Allenfalls die nicht mehr zeitgemäße Ausdrucksweise Mahl ergibt einen ersten Hinweis für meine Abneigung. Das Mahl ist Vergangenheit und ich lebe eher in der Zukunft, zumindest gefühlt. Da kommt ein Relikt aus vergangenen Tagen nicht an. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und legt diese nur schwer ab. Wieso lässt sich das Wort nicht aus unseren Köpfen verbannen? Und warum wird es überhaupt noch weiter getragen, VHS benutzt doch auch keiner mehr, ist überholt. KochgenussDer Sprengstoff scheint mir in der Kombination der beiden Wörter zu liegen. Also, ab ins Internet und „Mahlzeit“ gegoogelt. Was sagt das Wort überhaupt aus, woher kommt es? Die Bedeutung ist eindeutig. Es bezeichnet die Einnahme von Speisen und Getränken zu bestimmten Zeiten des Tages. Soweit, so gut. Bei Wikipedia findet sich auch eine kurze Erklärung Mahlzeit als Gruß zu benutzen und um diesen Missbrauch geht es mir. Kurz zusammengefasst: Die „Gesegnete Mahlzeit“ war früher ein weit verbreitete Grußform und wurde in den Klöstern zur Ankündigung der Essenseinnahme benutzt. Bereits im 19ten Jahrhundert ist dieser Gruß zur Kurzform „Mahlzeit“ degeneriert. Aha, es handelt sich um eine Abkürzung. Vielleicht ist dies die Wurzel des Übels. „Gesegnete Mahlzeit“ klingt besser, wenn auch altmodisch. Heute wird die Kurzform in Deutschland und Österreich – meist im beruflichen Zusammenhang – zur umgangssprachlichen Begrüßung oder Verabschiedung unter Kollegen zur Zeit der Mittagspause benutzt. Ja, genau das verdamme ich. In manchem Unternehmen soll diese Art des Grußes der Zensur zum Opfer gefallen sein. Die Verbannung via Leitlinie halte ich für eine Überregulierung, so sehr ich dem Wort das Exil gönne. Diese Kurzform verunglimpft den Gesamtkontext. Erinnert mich an die heutige E-Mail oder Twitter-Kommunikation, die unsere Sprache zunehmend komprimiert. Dadurch weichen das Gemeinte und das Gesagte, vor allem das Verstandene, das ein oder andere Mal voneinander ab. Der Wunsch ein gesegnetes Mahl einzunehmen, verkommt zu einem jovialen Gruß. Ein Punkt, der mir nicht schmeckt. Noch weniger der Klang des Wortes, er ist hart und wirkt ordinär. Vor allem wenn im Kopfkino dazu „Das kleine Arschloch“ von Walter Moers läuft und mir in seiner typischen Tonlage ein Maaaaahhhhlzeit hin schmettert!

Mein Fazit: der Gruß „Mahlzeit“ bekommt heute kein Foto von mir! Haltet mich nicht für unhöflich, aber euer Mahlzeit werde ich Mittags bestenfalls aus Versehen mit einem Mahlzeit erwidern. Aus Gewohnheit. Prost Mahlzeit. Wir modernisieren heute alles, die Vergänglichkeit ist Mode. Darum wird es Zeit für ein neue Wortschöpfung. Warum wünschen wir uns neben Guten Morgen und Guten Abend nicht einfach einen Guten Mittag! Wie steht Ihr zu Mahlzeit und habt ihr weitere Erklärungen warum Mahlzeit nicht mehr auf den Tisch serviert gehört? Oder Vorschläge für einen Nachfolger?

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