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Papa, wann wirst Du endlich Opa?

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 5 minutes.

Lieber Papa,

beim Christkind klappt es oft mit dem Wunschzettel, daher schreibe ich Dir diesen Brief. Vielleicht geht mein Wunsch in Erfüllung. Mein Wunsch: Wann wirst Du endlich Opa? Ich rufe sofort eine Fee an und die macht Dich über Nacht zum Opa. Das ist mein voller Ernst. Warum?

Als Opa hast Du Zeit. Viel Zeit, um mit mir zu spielen. Nehmen wir den heutigen Abend. Ich war gerade mitten im Spiel, da klingelt das Telefon. Mama ist dran gegangen und hat sich kurz mit Dir unterhalten. Dann hat Mama mich zu sich gerufen und gemeint, der Papa will mich sprechen. Nachtigall, ich hör‘ Dir trapsen. Es wird mal wieder später im Büro und es gibt ein Fern-Gute-Nacht-Bussi. Na gut, wenn es die Ausnahme bilden würde. Ich habe doch Verständnis dafür, dass Du arbeitest. Lieber würde ich allerdings mehr Zeit fürs gemeinsame Spielen mit Dir verbringen. Macht Dir doch viel Freude. Deshalb verstehe ich es gleich doppelt nicht. Du willst mit mir spielen, bleibst aber länger in der Arbeit. Was hat die, was ich nicht habe? Der Kindergarten geht doch auch nur bis mittags und ab und an bis zum späten Nachmittag. Kannst Du nicht dann und wann früher nach Hause kommen, unabhängig von der Anwesenheitszeit im Büro? Das muss sich doch machen lassen. Die Arbeit scheint Dir dann doch wichtiger zu sein, trotz Bekundungen, dass wir am wichtigsten sind. Papa, wenn Du es wirklich willst, ändere es. Es ist Zeit, das was passiert. Ich will nicht länger warten. Es geht doch einfach anders. Sag‘ Deinem Chef, Du musst nach Hause zum Spielen. Wenn’s was Dringendes gibt, soll er anrufen. Du hast doch Dein Telefon.

Ach ja, Dein iPhone. Ich spiele super gerne damit. Wenn ich darf, schaue ich mir das Wetter an, Fotos oder Videos, höre Deine Musik. Ja, das ist toll. Was Du allerdings mit dem Ding treibst, finde ich übertrieben. Sagt Mama auch immer und daher habe ich Recht. Ständig hast du es bei Dir, schaust da drauf, tippst da drin rum. Ich dachte, das ist ein Telefon? Ist ja gut, mag sehr nützlich und praktisch sein, aber ich denke, Du solltest dies ab und zu benutzen, so wie ich. Dann bleibt es etwas Besonderes. Wenn ich mit Dir spiele, hat das Ding nichts im Spiel zu suchen, das lenkt mich ab und Dich anscheinend auch. Konzentration auf das Wesentliche bitte. Nächstes Mal gibt es Handy – ‚tschuldigung – Smartphone Verbot. Vielleicht zieht das bei Dir?

Und noch so ein Thema. Was willst Du eigentlich mit dem ständigen mach‘ dies oder das oder den Verboten erreichen? Erziehung 1.0. Halloooo, ich bin 5 Jahre alt. Alles was ich tue, tue ich nicht um Dich zu ärgern. Ich weiß es nicht besser, lerne täglich von Dir durch das Kopieren. Also, ich will wirklich nur das Beste und eine glückliche Zeit mit Euch. Was ich mir wirklich wünsche ist, Dich und Mama wahnsinnig zu machen, wahnsinnig vor Glück. So wie Du alles tust, um mich glücklich zu machen. Alles andere liegt mir fern oder wird mir antrainiert. Ich reife zu einer eigenen Persönlichkeit heran und habe lediglich eine große Portion Mama und Papa mit auf den Weg bekommen. Ich bitte, dies zu akzeptieren und zu respektieren. Grenzen aufzuzeigen finde ich akzeptabel und diese machen Sinn. Genau wie ein geregeltes Leben, nicht zu verwechseln mit einem Leben bestehend aus Regeln, die stur verfolgt werden müssen. Das Leben lässt sich nicht kontrollieren. Ich mag meine Freiheiten. Genau wie Du. Bitte nicht so verbohrt sein, wenn es mal nicht gleich so funktioniert, wie Du es Dir einbildest. Es gibt mehr als eine Weisheit! So wie ich Euch auch alles durchgehen lasse und nie nachtragend bin! Okay, manchmal bin ich echt etwas stinkig, weil ich meinen Willen nicht bekomme. Aber hey, ich bin ein kleiner, junger Mensch, der zu einem Erwachsenen heranreift. Ich begreife erst nach und nach. Mit dem Großwerden habe ich es nicht eilig, wenn ich meine Umwelt so beobachte. Das Kindsein hat seine Vorteile, kann mich dadurch unbeschwerter im Alltag bewegen. Was soll ich kapieren, wenn Du wie eine wild gewordene Hummel vor mir stehst? Das ich dem nacheifere und auch die wilde Hummel bin, weil dies anscheinend normal ist? Da brauchst Du Dich nicht wundern, wenn ich Dir den Spiegel vorhalte. Ich bin, was Du mir vorlebst und mehr. Vertraue mir.

Ich freue mich jede Woche so sehr auf’s Wochenende. So sehr, dass ich immer schon gegen 6 Uhr wach bin. Wach vor lauter Vorfreude auf die gemeinsame Zeit mit Dir. Verstehe gar nicht, warum Du immer so müde drein schaust und öfter vor Dich hin nuschelst: noch müde, schlafen, ist noch früh. Wenn ich Dich aus dem Bett bekommen habe, dann geht es rund. Das ist ein Spaß und dank Kaffee steigt auch Deine Aufmerksamkeit. Apropos. Diese lässt manchmal zu wünschen übrig. Ich weiß nicht, ob Du es schon bemerkt hast, aber Kinder verlieren sich im Allgemeinen im Spiel. Zeit spielt für mich keine Rolle. Da helfen übrigens auch nicht Deine ständigen Versuche, mir dies beizubringen. Kind, es wird Zeit, mach‘ doch bitte schneller, das Sandmännchen geht gleich los, verstehe ich sehr wohl. Ich begreife aber nicht, was die Zeitangaben bedeuten. Dies hat keine Relevanz für mich. Sorry to say. Da erwarte ich etwas mehr Taktgefühl von Dir, lieber Papa. Die digitale Uhr auf Deinem iPhone kann ich lesen, aber mir fehlt – wie gesagt – das Zeitgefühl. Das kommt noch. Geduld bitte.

So, will ja nicht als Klugscheisser enden, daher Schluss mit dem Philosophieren. Meine Bitte: lies Dir den Brief aufmerksam durch und ich freue mich, wenn Du das beherzigst! Mach‘ Dir nicht zu viele Sorgen über das, was Du mir alles bieten musst. Dein Anspruch in allen Ehren. Dinge sind nicht alles, mir sind die Erlebnisse mit Dir viel wichtiger. Sei einfach für mich da und lass‘ uns die Zeit genießen. Ich freue mich auf eine erfüllte, glückliche Zeit und wünsche uns mehr davon. Hab‘ Dich verdammt lieb! So, wie Du mich und ohne Dich ist das Leben nur halb so schön, kann da nur Deine Worte wiederholen!

Dein Sohn Jan
La Familia

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