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Vertrauen statt Kontrolle – das Semco-Prinzip

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: almost 3 minutes.

Die gängige Praxis im Betriebsalltag sieht anders aus. Die Überwachung der Planzahlen, der Abgleich zwischen Soll und Ist bestimmen den Tag. Alles wird dem Glauben an das richtige Ergebnis durch ständige Kontrolle untergeordnet. Dafür jede Menge Zeit verwendet. Die Ordnung von Oben nach Unten ist unumstößliches Gesetz und ohne jeden Zweifel. Auch wenn der eigene Biorythmus anders möchte, er darf nicht, wenn es um die Arbeit geht. Denn nur am Schreibtisch sitzend und mit geregelten Arbeitszeiten – nicht zu vergessen unter Kontrolle – ergeben einen leistungsfähigen und guten Arbeiter. Soweit das Allgemeingut der Management-Etagen.

Umso interessanter daher ein Artikel im Heft 09 der brand eins, der über die brasilianische Semco-Gruppe berichtet. Diese Firma, respektive Ricardo Semler, macht so ziemlich alles anders und das überaus erfolgreich. Semler widerspricht damit sämtlichen Lehrbüchern und revolutioniert die Management-Praxis. Er hat ein Grundvertrauen in die Menschen und seine Mitarbeiter und richtet alles am Respekt als Erfolgskonzept aus: Vertrauen statt Kontrolle. Pläne, genauso wie alles kontrollieren zu wollen, sind für ihn Zeitverschwendung. Lieber mal machen. Er versteht sich als Anstoß, als Ideengeber, der Menschen zusammenbringt für Projekte. Wichtig bei Semco ist das Ergebnis. Der Weg dahin für die Mitarbeiter ungeschrieben und voller Freiheit und Eigenverantwortung. Wenn ein Angestellter morgens nicht aus dem Bett kommt, halb so wild. Die Arbeitszeiten legt jeder Mitarbeiter selbst fest. Die Arbeit muss natürlich gemacht werden, aber es ist unerheblich, ob dies am Abend, Wochenende, in 2 oder 3 Stunden geschieht. Was zählt und verpflichtend ist, ist einzig und allein das Ergebnis. Auch muss der Mitarbeiter dafür nicht am Arbeitsplatz sein, er kann. Die Freiheit von zu Hause, vom Strandcafé oder anderen Orten zu arbeiten liegt in seiner Verantwortung. Zahlen und Bücher des Unternehmen werden allen offen gelegt und denjenigen, die sie nicht verstehen mit einfachen Tools näher gebracht. Jeder soll über die gleichen Infos verfügen können. Eine offene Kommunikation wird explizit gefördert und ist ausdrücklich gewünscht. Dadurch soll Nähe zum Markt, ein besseres Verständnis und am Ende das bessere Ergebnis für Semco rauskommen. Es gibt keine Sitzordnung, gemischte Fachabteilungen. Alles, um die Diskussionskultur zu fördern. Auch die Mitbestimmung wird groß geschrieben. So kann z.B. bei Bewerbungen jeder vorbeikommen und dem potentiellen Kandidaten Fragen stellen. Am Ende entscheidet nicht der Chef, sondern die Gesamtnote aller über die Einstellung. Die Angestellten werden am Gewinn beteiligt, was zur Bindung ans Unternehmen beiträgt.

Insgesamt wird die Verantwortung jedes Einzelnen damit gefördert und nicht die Führung in die Hände weniger gelegt. Zwar gibt es auch bei Semco Hierachien, diese werden aber nicht im klassischen Sinne ausgelebt und sind flach. Ein bischen scheint mit das ganze System ein Kollektiv wie die Borg aus Star Wars zu sein, nur ohne die herrschende Königin und damit Abhängigkeit nur eines einzelnen Kopfes der den Kurs vorgibt und seine Macht ausübt. Vielmehr ist es ein demokratisches, kollektives Bewußtsein mit Eigenverantwortung und Erhalt der Individualität und Vielfalt. Das Wissen aller wird geteilt, jeder Einzelne hat freie Hand, auch für Fehler. Das ist menschlich und liegt in unserer Natur. Am Ende werden die Mitarbeiter dadurch zufriedener, produktiver und innovativer und sind Teil eines Ganzen und nicht nur ein Rädchen im System. Für mich besteht eine gewisse Parallele zur Funktionsweise und Aufbau des Internet.

Damit wird die Arbeit zum 7-Tage Wochenende. Ich finde es höchst interessant und habe mir die englische Ausgabe des Semco-Prinzip gekauft: Maverick! Das lese ich gerade und bin gespannt.

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