Die Wirtschaft ist Neuland – weg vom Wachstums- und Konsumrausch
by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 4 minutes.
Dieter Hildebrandt hat einen bezeichnenden Satz geprägt: „Wir glauben nur das was wir sehen. Darum glauben wir alles, seit es das Fernsehen gibt.“ Warum glauben wir dann nicht den zahlreichen Berichten, Dokumentationen über unsere Umweltzerstörung und die Ausbeutung von Menschen bei der Produktion, das frage ich mich ernsthaft. Was müssen, können wir tun, damit wir nicht nur glauben, sondern vor allem handeln? Der Schlüssel für eine nachhaltigere und sozialere Welt ist die Wirtschaft, hier sollten wir ansetzen. Wir können das Spiel ändern, indem wir die bestehenden Regeln der Wirtschaft ändern: als Kunde sowie als Mitarbeiter.
Wir können nicht weiter machen wie bisher und mehr verbrauchen als wir haben. Wir können nicht andere Menschen und die Umwelt ausbeuten, um konkurrenzfähig zu produzieren! Die gelebte Endlichkeit aller Ressourcen ist ein Trugschluss unter der unsere Lebensqualität leidet, vor allem aber berauben wir der Zukunft ihre Lebensgrundlage. Derzeit nehmen wir so viel Umweltkredit bei ihr auf, dass wir diesen niemals zurückzahlen können. Damit der Schlüssel greift, muss ein Paradigmenwechsel stattfinden. Die Transformation betrifft alle Bereiche der Wirtschaft. Eine Kultur der Genügsamkeit muss Einzug halten. Die Zockermentalität muss abgelegt werden. Unser menschlicher Spieltrieb ist gut, gut für den Fortschritt durch kreative und originelle Ideen. Wir müssen nur unser Maß kennen, müssen uns dabei die Wachstumsfrage stellen und den Ideen einen ökologischen und sozialen Sinn verpassen. Die Produkte müssen schon im Design auf Langfristigkeit angelegt werden. Langfristigkeit bedeutet: die Produkte und Rohstoffe haben so gut wie möglich zu sein, gleich Langfristig haltend, immer unter dem Anspruch des Design. Entstehen sollen nachhaltige Produkte, Materialien und Dienstleistungen, die die menschlichen Bedürfnisse erfüllen, ohne dabei die natürlichen und künstlichen Ressourcen zu erschöpfen, die Belastbarkeit von Ökosystemen zu überschreiten und unsere und zukünftige Generationen ihrer Chancen zu berauben. Das Material, die Produktion müssen entsprechend Umwelt- und Menschengerecht aufgestellt werden. Es kann nicht sein, dass der Aufsatz eines Rasieres teurer in der Anschaffung ist als der Kauf eines neuen Gerätes. Unsere Alltagsgegenstände müssen wieder reparierbar und in der Produktion und Design entsprechend modular konzipiert sein. Um bei dem Beispiel des Rasierers zu bleiben, sein Produktlebenszyklus ist zu kurz. Warum liegt im Handel eine neue Generation ohne erkennbare technische Verbesserung für den Kunden? Der Vorteil ist einseitig und nicht notwendig, liegt einzig im Ankurbeln des Umsatzes. Ersatzteile für die funktionierenden, aber alten Geräte sind entweder nicht zu bekommen oder wie oben beschrieben in der Wiederbeschaffung unverhältnismäßig teuer. Da läuft definitiv etwas falsch. Die Technologie ist hilfreich beim Einsparen von Ressourcen, der bewusste Verzicht genauso. Einschnitte beim Verbrauch sind notwendig, genau wie das Bewusstsein nicht immer die neueste Generation besitzen zu müssen. Schon gar nicht, wenn es keine bessere Lösung als bisher bietet. Die Produkte gehören zurück in den Produktionskreislauf, ergo das Unternehmen muss diese zurücknehmen, die Produkte wiederverwerten, neues daraus kreieren, wenn es nicht repariert werden kann. Das Ziel muss sein nachhaltige Produktionsverfahren und Konsummuster im Denken und Handeln der Kunden und Unternehmen zu verankern. Die reine Gewinnmaximierung tritt in den Hintergrund. Die Unternehmen der Zukunft fragen sich wie sie den Kunden helfen können, unter Berücksichtigung von Mensch und Umwelt. Die Frage was und wie kann ich immer mehr verkaufen, gehört im Archiv – unter dem Kapitel Gescheitert – abgelegt. Die Outdoor Firma Patagonia ist ein gutes Beispiel und Vorbild für die Transformation. Sie will nicht mehr auf Teufel komm raus mehr und mehr verkaufen und steigert dennoch die Umsätze. Alternative Szenarios gehen von einem Unternehmen ohne Hierarchien aus, ein Management ohne Manager. Erfolgreiche Beispiele gibt es bereits: Semco, Premium Cola, Zappos oder treehouse. Auch das Modell der Genossenschaften erlebt ein Revival – beispielsweise Fairnopoly – welches die Partizipation stärkt, die Mitarbeiter zum Mitunternehmer macht, ein Wunsch der sich auch im gesteigerten Interesse des Crowdinvesting manifestiert.
In den Unternehmen der Zukunft wird der Mensch nicht länger als bloßer Produktionsfaktor betrachtet, er steht im Mittelpunkt. Der unternehmerische Erfolg ist das Gemeinschaftswerk aller Mitarbeiter. Dazu muss sich das Selbstverständnis der Führungskräfte ändern. Schluss mit gleich und gleicher. Die Führung funktioniert über Vertrauen, Verantwortung, Respekt, Wertschätzung, Anerkennung, Empathie und Fairness. Da darf das Ego gerne zu Hause bleiben. Menschen sind keine Nummern und sollten niemals auf diese reduziert werden. Generell muss unser Denken von den kurzfristigen Entscheidungen Abstand nehmen, die Quartals- und Bonusgetrieben einer gesunden Entscheidung im Wege stehen. Wie war das noch gleich in Artikel 14, Absatz 2 des Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Geld verdienen ist gut, aber bitte nicht um einfach immer mehr davon zu haben sowie die Größe des Unternehmens endlos und sinnbefreit zu skalieren. Peter Drucker hat es auf den Punkt gebracht: „Das freie Unternehmertum lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass es dem Geschäft dient, sondern nur dadurch, dass es der Gesellschaft dient.“ Die Neue Wirtschaft schafft sinnerfüllte Arbeitsplätze ohne Menschen als Produktionsfaktor, eine wertorientierte Unternehmenskultur und entnimmt der Erde nur das, was sie wieder regenerieren kann. Wir, die Kunden und die Wirtschaft tragen eine soziale und ökologische Verantwortung. Wir brauchen endlich eine gemeinwohl- und wertorientierte sowie verantwortungsvolle Wirtschaft! Und was uns davon trennt ist der Mut es zu tun, schließlich meinte schon Goethe: Erfolg hat drei Buchstaben, TUN!
Dazu passt das Buch von Ernst Friedrich Schumacher, ist besonders faszinierend, weil bereits vor 40 Jahren geschrieben und aktueller denn je: http://www.oekom.de/buecher/fachbuch/politik-gesellschaft/buch/small-is-beautiful.html
dazu
http://shiftconsulting.de/holakratie-im-uberblick/