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Warum wir grün denken, wie immer handeln und als Homo Respectus enden

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 6 minutes.

Die Nachhaltigkeit hat 300 Jahre gebraucht, um in unserem Alltag Einzug zu halten. Heute ist sie eines der Top-Themen. Die Medien, die Unternehmen, die Leute auf der Straße reden viel darüber. Sie reden über was wir alles machen müssten, was wir bereits können und auch wie wir tatsächlich dann und wann agieren. Weil die Nachhaltigkeit so wenig greifbar ist, liegen zwischen unserem Denken und Handeln Welten. Genau da liegt das Problem der Nachhaltigkeit. Wie also lässt sich die Nachhaltigkeit nachhaltig durchsetzen?

Die meisten reden über die Nachhaltigkeit, handeln aber wie immer. Reden ist keinesfalls schlecht, das damit verbundene Bewusstsein für das Thema Nachhaltigkeit ist ein erster Schritt zur Besserung. Die Diskussion steckt andere an nachzudenken. Manche wollen etwas tun. Das Tun ist ein gutes Stichwort. Goethe hatte Recht mit seinem Ausspruch: „Erfolg hat drei Buchstaben, TUN!“. Das Warten auf Godot bringt die Menschheit nicht weiter. Die Umwelt leidet weiter unter uns. Wir müssen unser Denkgefängis verlassen und machen. Dabei gilt es eine gesunde Mischung zwischen Machen, Denken, Träumen und den notwendigen Erholungspausen zu finden. Ständig Tun hält niemand durch. Wir können nicht immer rennen, dafür fehlt uns die Ausdauer. Es ist gesund, die Langeweile einziehen zu lassen. Die Langeweile lässt uns durchatmen, verschafft uns Zeit, zu reflektieren, zu sortieren und eröffnet Raum für etwas spezifisch Menschliches: unseren kreativen Kopf zu gebrauchen. Der bringt Klarheit und die Möglichkeit, Dinge zu kreieren, die unsere Welt nachhaltiger gestalten. Die Zeit arbeitet dabei gegen uns. Wenn wir Entscheidungen treffen, dann entstehen daraus Konsequenzen für unsere und die Zukunft anderer. Wir haben von der Lebenszeit nur ein begrenztes Kontingent zur Verfügung, um die richtigen Weichen zu stellen. Zeit ist kostbar und lässt sich nicht zurückspulen. Zeit zu verschwenden, nicht die richtigen Dinge anzupacken, wird damit zur puren Lebensverschwendung. Wir müssen entscheiden, welche Spuren wir auf der Erde zurücklassen wollen. Das ist leicht gesagt und schwierig in die Tat umzusetzen. Wir lieben unsere Bequemlichkeit. Taten sprechen zu lassen, kostet nicht nur Schweiss. Die wenigsten besitzen ausreichend finanzielle Mittel, tun und lassen zu können, was sie wollen. Wir arbeiten, um zu leben. Gutes zu tun, weicht da schnell dem eigenen Lebenstrieb. Dabei lebt die Nachhaltigkeit vom Tun aller, nicht eines elitären Ökozirkels. Nachhaltigkeit muss sich finanziell lohnen. Eine Möglichkeit wäre es, Credits zu verdienen. Eine Art Zins für eine nachhaltige Lebensführung. Das Investment in den grünen Einsatz vermehrt sich durch den ökologischen Zinseszins. Die Credits sind die alternative Währung. Das Geld regiert nicht mehr alleine. Oder die Credits erhalten wir in Form von Steuergutschriften. Ansonsten verstreicht die Zeit und wir müssen uns am Ende fragen, ob es das gewesen ist. Wie so oft stehen wir uns selbst im Wege.

Die kognitive Dissonanz trägt mit Schuld daran. Warum rauchen wir, wo wir doch um die gesundheitlichen Risiken wissen? Kognitive Dissonanz bedeutet, das Bewusstsein zu haben um die negative Konsequenzen, trotzdem aber genau gegensätzlich zu handeln. Das Gehirn überlistet uns, weil die Folgen nicht unmittelbar spürbar sind. Genauso verhält es sich mit uns und der Umwelt. Wir wissen, dass unser Handeln der Natur schadet. Unterlassen wir es deshalb? Nein, wir handeln wie immer. Am Wissen mangelt es sicher nicht. Das steht uns reichlich zur Verfügung. Auch die Technologien zur Besserung sind bekannt. Wir sind nur keine Öko-Barone von Münchhausen, die in der Lage sind, sich am eigenen Schopfe aus dem Schlamassel zu ziehen. Es muss wehtun, der Natur zu schaden. Zugefügte Wunden tun weh, schalten die kognitive Dissonanz aus. Die Natur verzeiht aber die Eingriffe. Sie hat keine bösen Absichten, handelt nicht vorsätzlich, setzt sich nicht zur Wehr. Es liegt an uns, eine Maßnahme als Gegenwehr für die Natur zu finden. Etwas, was uns die Konsequenzen schmerzhaft spüren lässt. Dafür scheint mir wiederum das Geld ein probates Mittel zu sein. Der Geldverlust schmerzt jeden. Die Natur ist damit nicht länger eine „Open Source“. Die Natur kostet Geld. Steuern auf die Eingriffe in die Natur zu erheben, sind ein Lenkungsmittel, der Verschwendungssucht Einhalt zu gebieten. Kostet etwas viel Geld, gehen wir sparsam und wohl dosiert damit um. Wir überlegen uns die Nutzung sehr genau, verzichten bewusst. Wir verdienen mit unserem Leben in Nachhaltigkeit, zahlen für Eingriffe in die Natur. Das ist eine ökonomische Ökologie.
New York - Central Park II

Die gelebte Suffizienz taugt auch zum Vorbild. Und zwar genau dann, wenn der Greener-Life sexy ist. Die Menschen suchen nach Vorbildern. Sie sehnen sich nach Orientierung. Unsere auserkorenen Vorbilder können mit gutem Beispiel vorangehen, es schaffen, den ökologischen Lebensstil zum Statussymbol zu erheben, Damit wäre viel gewonnen. Immer mehr Prominente verschreiben sich dem grünen Lebensstil. Mal aus Mode, mal mit ernsthaften Absichten. Leonardo DiCaprio ist ein gutes Beispiel. Ich kaufe ihm sein Engagement für die Umwelt ab. Sein Vorleben führt zur Nachahmung. Plötzlich ist es cool, ein Öko zu sein. Öko ist Mode. Es ist trendig, auf Konsum zu verzichten, ein Hybrid-Auto zu fahren, ja sogar selbstgestrickte Pullis erscheinen in ganz anderem Licht. Mehr Prominente sollten seinem Beispiel folgen und damit eine Ökolawine lostreten. Die Welt muss es mitbekommen. Die Werbung und Kommunikation kann helfen, diesen Lebensstil zu kommunizieren und sexy zu machen. In einer gefühlt grenzenlosen Welt suchen wir nach Orientierung. Die ständige Erreichbarkeit, zunehmende Verschmelzung von Arbeit und Freizeit, ein Leben im ständigen Online-Modus, die Globalisierung überfordern uns. Die Kommunikation wird zu unserem persönlichen Navigationsgerät in einer als komplex wahrgenommenen Welt. Wir finden zu den Marken, die wir suchen und begehren und schmücken uns mit diesen. Die Kommunikation erschafft die Welt, die uns relevant erscheint. Im Bekanntenkreis zeigen wir uns gerne als Anhänger bestimmter Marken. Als freiwilliger Botschafter propagieren wir unsere Markenwelt, weil es trendig ist und das Richtige. Die Marke färbt uns. Die Marke schafft Vertrauen.

Den Unternehmen wird bei ihren grünen Schritten oft Green-Washing vorgeworfen. Es sind aber nicht die Unternehmen, sondern dort arbeitende Menschen, die die Entscheidungen treffen. Trotz allem sollte niemand, auch kein Unternehmen, voreilig für seine Handlungen be- und verurteilt werden. Pauschal allem und jedem böse Absichten zu unterstellen, führt zu einer Self-Fulfilling-Prophecy. Das Gute ist in uns. Wir müssen wegkommen vom moralisierenden und sensationalistischem Boulevard-Presse-Denken. Die Achtung vor dem Menschen muss bewahrt werden, genau wie das Vergeben und Verzeihen. Ein Schritt in die richtige Richtung bleibt ein richtiger Schritt. Die Summe bringt die Veränderung. Wir kennen nie die ganzen Tatsachen und Hintergründe. Konsumieren nur twitterhafte Kurznachrichten. Was ist die wirkliche Wahrheit? Nicht entscheidend. Bitte nicht falsch verstehen. Ich befürworte keine falschen Absichten mit einer guten Aktion. Ich maße mir nur nicht an, voreilige Schlüsse zu ziehen. Mag naiv sein. Für mich bedeutet dies allerdings den Beginn einer verantwortungsvollen Reise. Wer Verantwortungsübertragung sät, wird Verantwortungsübernahme ernten. Und das mit all seinen Dimensionen. Mit der Verantwortung gehen wir Verpflichtungen ein. Wir fördern die Gerechtigkeit. Wir leben selbstständig. Über das selbstständig sein führt unser Weg zu einer besseren Welt: Vom Homo Oeconomicus zum Homo Respectus, mit Lust auf Zukunft.

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