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Der ehrbare Kaufmann

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 4 minutes.

Auf den ersten Blick wirkt der Titel etwas altbacken, vor allem „ehrbar“ scheint aus der Mode gekommen zu sein. Was heißt überhaupt „ehrbar“? Bei Wikipedia eingegeben findet sich nicht viel. Der Begriff „Ehrbarkeit“ wird zwar erläutert, steht aber wegen fehlender Quellen zum Zeitpunkt dieser Textverfassung am Rande der Löschung. Vielleicht schon ein Indiz für das Abseits dieses Wertes. Der ehrbare Kaufmann wird eingehender behandelt, allerdings fehlen auch diesem Artikel anscheinend wichtige Informationen laut den Wikipedianern:  „Dem Artikel fehlt die Darstellung, inwieweit dieses Ideal (nach Meinung unterschiedlicher Seiten) in der Realität gelebt wird und Wirkung zeigt.“ Laut Wikipedia steht der ehrbare Kaufmann für „… ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt. Ein ehrbarer Kaufmann stützt sein Verhalten auf Tugenden, die den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel haben, ohne den Interessen der Gesellschaft entgegenzustehen. Er wirtschaftet nachhaltig“. Dabei orientiert er sich anTugenden wie „… Redlichkeit, Sparsamkeit, Weitblick, Ehrlichkeit, Mäßigkeit, Schweigen, Ordnung, Entschlossenheit, Genügsamkeit, Fleiß, Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung, Reinlichkeit, Gemütsruhe, Keuschheit und Demut.“ Hört sich doch nach dem idealen Wirtschaftler an. Tatsächlich ist der ehrbare Kaufmann aber kein Gutmensch in erster Linie, sondern voll und ganz seinem Unternehmen verpflichtet, damit dieses möglichst lange Umsatz erwirtschaftet. Seine Tugenden verfolgt er genau zu diesem Zweck. Trotz seiner kapitalistischen Grundprinzipien ist er allerdings niemand, der über Leichen und Bäume geht. Mir scheint der ehrbare Kaufmann jemand mit Prinzipien und Konsequenz zu sein.

In einer Wirtschaft der Verwalter könnte dies ein guter Gegenpol und die bessere Wahl sein. Das Problem von Managern ist die mangelnde Identifikation mit dem Wert ihres Handels. Das Ganze scheint ein Spielcasino für Sie zu sein, der Einsatz erfolgt mit dem Geld anderer. Bekanntermaßen spielt es sich damit leichter. Wenn der Verlust nicht der eigene ist, lebt´s sich leichter mit der Konsequenz. Bei jeglichem Handeln sollten wir uns immer die Frage stellen, was wäre, wenn dies unser Geld wäre. Würden wir die gleiche Entscheidung treffen? Diese Grundlage spreche ich vielen Managern ab. Nicht zwingend, weil sie schlechte Menschen sind, sondern oft weil der Druck sie zur Maßlosigkeit antreibt. Dies soll keine Rechtfertigung sein, da wir selbst immer auch für unser Handeln verantwortlich sind. Gerade deshalb ist es wichtig, Tugenden zu verinnerlichen, die Gesellschaft und Umwelt zu respektieren und danach zu handeln. Der ehrbare Kaufmann handelt vor allem, weil er will, dass sein Geschäft läuft. Dies ist in der heutigen kapitalismuskritischen Diskussion kaum als ehrbar zu rechtfertigen. Dabei ist dieser Antrieb nicht grundsätzlich verwerflich. Verwerflich wird es erst, wenn das wirtschaftliche Handeln auf dem Rücken Dritter oder der Umwelt ausgetragen wird, nur um kurzfristig die Kasse klingeln zu lassen. Gegen das Wirtschaften als solches spricht nichts. Ein Unternehmen kann nur überleben, wenn es Gewinne macht. Damit kann es den weiteren Ausbau, die Gehälter der Mitarbeiter sowie gesellschaftliches Engagement finanzieren. Es muss aber fest in der Unternehmenskultur verankert sein, dass es mehr als das reine Profitstreben gibt. Prinzipien wie Freiheit und Verantwortung, Gemeinschaft und Wettbewerb, Dienst an der Gesellschaft und satte Gewinne sind nur scheinbare Gegensätze. Richtig angewendet münden diese in einem sozial und ethisch verantwortlichem Wirtschaften und zeigen jedem Unternehmen einen alternativen Weg auf.

Soweit die Theorie. Theorie und Praxis sind aber zwei Paar Schuhe. Erinnern wir uns an Wikipedia, so fehlt der Beweis der Anwendung in der Realität sowie der Wirkung. In der Tat scheint hier die Crux zu liegen. Der Alltag lässt nicht nur Ideale zu, sondern ist immer ein Kompromiss. Welcher ehrbare Kaufmann verstösst nicht gegen seine Tugenden, sobald es ans nackte Überleben geht. Diese Aufrichtigkeit und Treue sich selbst gegenüber scheint heutzutage sehr schwierig in der Anwendung. Nichtsdestotrotz scheint mir der ehrbare Kaufmann ein sehr gutes Leitbild darzustellen. Die Vorstellung, wir hätten es in der Wirtschaft mit lauter Ehrbaren zu tun, käme einer besseren Welt doch recht nahe. Zumal die Wirtschaft alles bestimmt und damit zum Besseren gewendet doch genau zur heilen Welt führen kann. Wie Galileo Galilei sehr richtig erkannt hat, kann man den Menschen nichts beibringen. Man kann ihnen nur helfen, es in sich selbst zu entdecken. Daher dürfte nicht jeder Einsicht zeigen. In einer Zeit in der uns alle Möglichkeiten offen stehen, wissen wir oft nicht wohin des Weges. Da bietet uns der ehrbare Kaufmann eine Orientierung, einen Richtungsweiser zur eigenen Identität. Am Ende müssen wir uns erst selbst finden und verwirklichen können, damit unser eigenes Glück ansteckend wird. Sind wir glücklich, können wirs auch auf unsere Umwelt übertragen. Gerade deshalb sollte neben der allgemeinen betriebswirtschaftlichen Ausbildung und Lehre sowie dem Lernen in der Praxis, dieses Leitbild Vorbild-Charakter bekommen und in der Lehre verankert werden. Es hat viel mit der Basis unseres täglichen Seins zu tun und steht für Offenheit, Ehrlichkeit, Gleichwertigkeit und ökologischem Wandel. Dem ganzen müßte nur ein neuer Farbanstrich gegeben werden, damit der Titel und die Tugenden ins heutige Bild des Web 2.0 passen, hin zum Kaufmann 2.0 und damit verkaufbar.

In diesem meinem Sinne, bis nächsten Sonntag.

2 comments on ‘Der ehrbare Kaufmann’

  1. Johannes sagt:

    Der Faule wird erst abends fleißig.

  2. os sagt:

    märchen …

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