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Kinder, wie die Zeit vergeht

by Carsten Kreilaus. Average Reading Time: about 5 minutes.

Jahr ein, Jahr aus erleben wir – hoffentlich – ein schönes Weihnachten, eine ruhige Zeit. Die Gedanken sinnieren über das vergangene und zukünftige Jahr. Die Zeit im Jahr, in der wir uns besinnen, dem Alltag trotzen. Nach „Auf die Plätzchen, fertig, los“ denken wir vor allem über unser Leben nach, was wir im nächsten Jahr nicht alles besser machen wollen. Oder geht das nur mir so. Egal. Weihnachten ist neben besinnlich und zusammen mit dem Geburtstag die alljährliche Wiederholungsschleife für uns. Damit wird uns ein fixes und immer wiederkehrendes Datum vor Augen geführt, welches uns erst bewusst werden lässt: Kinder, wie die Zeit vergeht!

Das Leben rauscht an uns vorbei und jeder schöner Moment wird zur Erinnerung. Je weiter weg diese Erinnerungen sind, desto blasser werden diese. Umso wichtiger, dass wir unsere Tage bewusst geniessen und nicht verstreichen lassen. Carpe diem ist schon ein treffendes Motto. Wer weiß, ob es ein Morgen gibt. Das sollte uns kein Trübsal blasen lassen, aber jeden Augenblick reflektieren lassen, ob sich der Ärger über ein passierendes Ereignis wirklich lohnt. Wir müssen deswegen nicht zum Duckmäuser werden, aber Nachgeben ist manchmal einfach klüger und stärker. Harsche Worte und die schnelle Beleidigung schaffen vielleicht vordergründig Befriedigung, nachhaltig und förderlich sind diese indes nicht. Im Gegenteil, ein ehrliches Lächeln und gute Stimmung wirkt einfach ansteckend. Somit färbt unsere Stimmung auf unsere Umgebung ab und je positiver das WIR, desto fröhlicher sind wir alle. Wirklich eine lohnende Vorstellung, dass wir alle ein Vorbild für andere sind und damit Gutes bewirken können. Spaß wollen wir doch alle haben.

Nichtsdestotrotz sind alle Dinge vergänglich und dessen müssen wir uns bewusst sein, diese sollten wir akzeptieren lernen. Wenn ein geliebter Mensch stirbt, ist dies immer ein tiefer Einschnitt in unser tägliches Leben. Rational ist dies der Lauf der Dinge und kann jeden Tag, zu jeder Zeit uns alle treffen. Unabänderlich. Emotional ist die Beschäftigung mit der Trauer eine Zeitfrage. Wie war das noch: die Zeit heilt alle Wunden. Ist wohl die schöne Verdichtung, warum unser Gedächtnis vergessen lernt. Es hat einfach nicht die Kapazitäten und Bewältigungsressourcen, um mit den aufeinander gestapelten Emotionen fertig zu werden. Also löscht es eigenständig nach und nach Informationen. Ganz im Gegensatz zu unserem Computer, der auf unseren Befehl wartet. Bin gespannt, ob das menschliche Gehirn in der Entwicklung zu einem permanenten Speicher wird und wie sich dadurch unsere Psyche verändert. Kaum vorstellbar für mich die Menschen, die nichts vergessen können, sich an jede Sekunde ihres Lebens erinnern. Ein Segen und Fluch zugleich und heutzutage wohl nicht umsonst als Krankheit bezeichnet, zumindest aus Sicht von uns Vergessenden. Auch Freundschaften verblassen zum Teil über die Jahre. Unsere beste Jugendfreundin oder bester Kumpel ist im Erwachsenendasein nicht zwingend mehr eine unserer Hauptbegleitpersonen. Deswegen spricht die Gesellschaft auch sicher von Lebensabschnittspartnern und auch -freunden. Wir entwickeln uns im Laufe der Jahre weiter und so auch unsere unmittelbare Umgebung. Das dies auch divergierend sein kann, lehrt das Leben. Schade ist es allemal. Oder würdet ihr Euch nicht so manches Mal die Vergangenheit herbeiwünschen? Früher war doch alles besser. Oder sollten wir besser davon reden: Früher war es anders? Veränderungen gehören zu unserem Leben. Vergangenes muss ruhen. Das müssen wir wiederum respektieren und akzeptieren, sonst bleiben wir auf der Strecke und landen in unser Lebenssackgasse.

Das Alter ist  schliesslich die Mutter der Vergänglichkeit. In der Jugend scheren wir uns kaum bzw. die wenigsten um solche Gedanken. Wir leben den Tag und jeder scheint unendlich lange. Je älter wir werden, desto bewusster wird uns die Zeit. Desto weniger Tag hat ein Tag. Klar, wir gewinnen an Lebenserfahrung, lernen, werden durchs Leben und unsere Umgebung geprägt. Damit reifen wir immer mehr zu einem Erwachsenen, mit all seinen Vor- aber auch Nachteilen. Klarer Vorteil der Jugend ist hier die Leichtigkeit des Seins. Die Unbekümmerten. Nachteil ist das mangelnde Wissen und damit Urteilskraft und Entscheidungsfähigkeit, das Richtige zu tun. Das eine scheint das andere auszuschliessen. Wohl deshalb auch die Forderung von vielen: das Kind im Manne, in uns, zu bewahren. Damit die Fähigkeit zu geniessen, Freunde zu haben und an den Tag, an den Moment zu denken. Nicht an das, was morgen alles sein könnte. Da begegnet uns wieder die Frage: was wäre wenn? Diese können wir einfach nicht beantworten und die Suche nach einer Antwort frisst uns die Freude auf. Halb Kind, halb Frau oder Mann, das ist wohl der goldene Weg für unseren Geist, des es zu finden gilt mit zunehmendem Alter. Mit dem Alter erinnern uns die Zipperlein an den körperlichen Verfall. Auch hier gilt es nicht zu bedauern, was wir verlieren könnten, sondern geniessen, was wir haben. Ein Rückblick mit Bedauern hilft uns nicht, die Dankbarkeit an jede Erinnerung und gelebte Erfahrung macht unser Glück, unsere Zufriedenheit aus. Das Ende kommt gewiss, Gewissheit wann haben wir nicht. Gott sei Dank, denn diese Gewissheit kann unser Gehirn kaum verarbeiten. Franz Kafka hat das schön zusammengefasst: „Wenn man die Zukunft vorzeitig weckt, bekommt man eine verschlafene Gegenwart“.

Ich hoffe, dass jeder seinen Weg findet und weder seine Schritte bedauert, noch sein Ich in Frage stellt. Das ist kein Freifahrtschein für ein verantwortungsloses Lotterleben, ohne Respekt gegenüber den anderen Menschen und der Umwelt. Gut- oder Normalsein vorausgesetzt, sollten wir unser eigenes Leben respektieren wie es ist. Ändern wir es, wenn es uns nicht gefällt. Am Ende ist die Summe das Entscheidende und daher sollte nicht jeder schlechte Tag mit Gold aufgewogen werden. Jeder erlebt schlimme Erfahrungen, hat mal einen schlechten Tag. Ein guter wird folgen und so sollten wir unser Denken darauf trainieren diesem Positiven mehr Gewicht zu schenken. Unser Lebenstaktstock sind nicht die unwiederbringlichen vergangenen Sekunden, sondern die positiven Erinnerungen daran, gepaart mit der Erwartung und Vorfreude auf jede einzelne kommende. Das ist das Leben, das unser Geschenk. Das Leben ist einfach zu schön und so sollte jeder unserer Tage sein, und wir dies geniessen sowie genauso empfinden.

In diesem meinem Sinne, bis nächsten Sonntag.

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